Am 04.07.2023 fand erneut eine Sammelabschiebung aus Deutschland nach Nigeria statt, bei der mehr als 40 Personen, darunter insgesamt 10 Kinder festgenommen mit staatlicher Gewalt und unter Zwang nach Lagos abgeschoben wurden.

Zehn Minderjährige abgeschoben

Nur 7 Wochen nach der Abschiebung von Fam. Ovbiagele, einer alleinerziehenden Mutter mit ihren 4 Kindern aus Kempten (Allgäu), traf es nun neben zahlreichen Einzelpersonen eine weitere Familie aus Kempten mit beiden Elternteilen und 4 Kindern, sowie eine alleinerziehende Mutter mit 4 Kindern aus Bayreuth und eine alleinerziehende Mutter mit 2 Kindern aus Hof. Dies ist nun bereits der 6. Abschiebeflug nach Nigeria seit jahresbeginn.

In Handschellen zum Flughafen gebracht

Mitten in der Nacht wurden die Menschen von der Polizei in ihren Unterkünften überraschend aufgesucht, aufgefordert die nötigsten Utensilien zu packen und dann unter Zwang in Handschellen zum Flughafen München gebracht. Während der Fahrt durften sie ihre Handys nicht mehr benutzen und auch die Handschellen wurden bis kurz vor Ankunft in Nigeria nicht mehr abgenommen. Der alleinerziehende Mutter von 2 Kindern aus Hof, die sich wegen starker Bauchschmerzen während der Fahrt mehrmals übergeben musste, wurde verweigert am Flughafen ihre Kleidung zu wechseln und selbst beim Gang zur Toilette wurde ihr verwehrt die Handschellen abzunehmen. Sie konnte sich deshalb auf der Toilette kaum ent- bzw. wieder ankleiden und sich auch die Hände nicht waschen. Als sie sich am Flughafen verbal geweigert hat sich in Richtung Flugzeug zu begeben, wurde sie von den Polizist*innen gewaltsam zu Boden gedrückt. All dies geschah vor den Augen ihrer Kinder.

Die 15jährige Tochter berichtet: „Wir sind behandelt worden wie Kriminelle! Ich habe der Polizei gesagt, ich kann alleine laufen, aber die haben mich Richtung Flugzeug getragen und gesagt es sei notwendig, weil ich abhauen werde, obwohl ich gesagt habe, dass ich das nicht tun werde. Die tun als wäre ich kriminell, als ob ich was Schlimmes gemacht hätte“ Weiter erzählt sie: „Eigentlich hätte ich nur noch 4 Wochen, dann hätte ich dieses Schuljahr hinter mir und ich wollte weiter Schule machen. Aber dann sagen die zu mir: ich kann ja wieder Schule machen wenn ich erwachsen bin.“

Fehlende medizinische Behandlung

Trotz der laufenden medizinischen Behandlung der kleinen Eluan, die mit einer Mund-Nasen-Gaumenspalte zur Welt kam, trotzdem dass eines der Kinder Fieber und weitere grippale Symptome hatte und trotz bevorstehender Schulabschlüsse der Kinder wurde die Abschiebung auf menschenverachtende Art und Weise vollzogen: Nach Ankunft am Münchner Flughafen wurden alle Personen (inklusive der Kinder) mitten in der Nacht in den Polizeiautos gefangen gehalten, bis der Charterflug nach Lagos kurz vor 7 Uhr morgens abflugbereit war.

Als die Festgenommen um kurz vor 13 Uhr in Lagos landeten, wurden sie mit einem Bus aus dem Flughafengelände gebracht und vor dem Eingag im strömenden Regen rausgeworfen und schutzlos und ohne Geld ihrem Schicksal überlassen. So läuft dort die übliche Praxis im Umgang mit abgeschobenen Menschen.

Nur dank der Arbeit der DERS (Deportees Emergency Reception and Support), einer lokalen nigerianischen Partnerorganisation von Refugees4Refugees in Stuttgart, mussten die Menschen diese und die folgenden Nächte nicht in Lagos auf der Straße verbringen. DERS leistet erste Nothilfe und stellt ihnen für den Anfang eine 4-Zimmer-Schutzwohnung sowie weitere Räume in der Nähe des Flughafens zur Verfügung. Aktuell sind dort 17 Personen der zuletzt stattgefunden Abschiebung aus Deutschland untergebracht. Da sich in den vergangenen Wochen die Abschiebungen jedoch häufen, wird es auch für DERS zunehmend schwierig, die Situation zu bewerkstelligen. Für so viele Menschen gibt es nicht genügend Schutzwohnungen und diese können dort nur noch eine kurze Zeit verbringen, bevor diese Wohnungen für die nächsten Neuankömmlinge wieder bereitstehen müssen. Die Gelder sind mehr als knapp, da sich die Organisation ausschließlich über Spenden finanziert, von denen aktuell kaum welche ankommen.

Kritische Lebenssituation in Nigeria

Die Lebenssituation der nun in Nigeria gestrandeten Familien ist mehr als kritisch, ja sogar lebensgefährlich. Die Kinder werden immer wieder krank, medizinische Hilfe ist jedoch nur sehr schwer zugänglich. Aus Angst vor Gewalt verlassen die Menschen die Schutzwohnung so wenig wie möglich und sitzen deshalb die meiste Zeit des Tages auf engstem Raum zusammen. Die Kinder sind frustriert bzgl. ihrer Lebensperspektive, da sie völlig unvermittelt mitten aus ihrer Schullaufbahn und ihren Lebensplänen gerissen wurden. Die Erfahrung zeigt, dass einige der in der Vergangenheit abgeschobenen Kindern derartig von der Gewalt traumatisiert sind, die sie oder ihre Eltern bei der Abschiebung von der deutschen Polizei erfahren haben, dass sie nun regelrecht Angst vor allen Menschen mit weißer Hautfarbe haben.

Wir sind schockiert und fassungslos, wie skrupellos die Bayrischen Behörden nun zum wiederholten Male das Kindeswohl mit Füßen tritt, diese wie Schwerstverbrecher*innen aus dem Schlaf reisst, und auf grausamste Art und Weise in einem Land aussetzt, das einigen von ihnen sogar vollkommen unbekannt ist. Ohne Geld, ohne eine Wohnung ohne eine Lebensperspektive in einem Land, in dem insbesondere nach dem Regierungswechsel die aktuelle Situation sehr kritisch ist. Den Abgeschobenen steht dort eine Zukunft in elendigen Verhältnissen bevor.

Erneut werden grundlegende Vorgaben der auch von Deutschland anerkannten UN-Kinderrechtskonvention missachtet, welche das Kindeswohl an erster Stelle sehen, und die deutschen Behörden schrecken bis heute nicht von ihrem brutalen und unverantwortlichen Vorgehen zurück.

Es ist absolut inakzeptable welches Unrecht die Bayrische Regierung, die  bekanntlich christliche Werte hoch hält, hier vollzieht. Wir fordern diese auf, ihre menschenunwürdigen Handlungen umgehend einzustellen.

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