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20.12.22 Lagos (Nigeria) Als Team von Refugees4Refugees e.V. und DERS sind wir bei Abschiebungen aus Europa vor Ort am Flughafen in Lagos. Seit Anfang diesen Jahres werden die Abgeschobenen vom Flughafen für eine einwöchige Quarantäne direkt in ein Hotel gefahren. Auch heute rechneten wir mit dem Abschiebeflug und dem Transport in das Quarantäne-Hotel. Spontan erfahren wir, dass die Quarantänepflicht aufgehoben wurde und fahren sofort zum Flughafen.

Wir schauen vor dem Flughafen in Lagos nach den Abgeschobenen. Im Flug aus Frankfurt a. M. waren 21 Abgeschobene aus Deutschland und Österreich. Als wir ankommen sind einige schon weg. Unter einem Mangobaum sitzt ein Mann mittleren Alters aus Gelsenkirchen mit einer Tasche vor sich. Er habe 30 Jahre in Deutschland gelebt. Seine Augen glänzen, er ist wütend, frustriert und hat keine Illusionen über die Situation in der er sich befindet. Es ist zwei Stunden vor der Abenddämmerung. Zwei junge Männer stehen zusammen am Straßenrand, einer mit Koffer, einer mit seiner Winterjacke und ein paar Kleinigkeiten in einer zerrissenen Plastiktüte. Sie werden umringt von Leuten, die hoffen hier ein paar schnelle Euros zu machen. Der Mann mit der Plastiktüte hatte zuvor in Abschiebehaft seine Sachen abgegeben. Die Sachen hätten mit dem Flug transportiert werden sollen, sein Handy ist aber nicht in Lagos angekommen. Der Mann ist nicht aus Lagos, weiß nicht wo er hin soll und kann niemand erreichen. Wir sprechen mit allen und stellen sicher, dass sie eine Übernachtungsmöglichkeit haben. Allen, die wir noch antreffen, bieten wir an für die ersten Tage die Schutzwohnung in der Nähe des Flughafens zu nutzen. Der Weg aus der Stadt ist zu gefährlich in der Dämmerung. Deswegen sind die Abgeschobenen dazu gezwungen die unsicheren Übernachtungs-Angebote von Fremden anzunehmen, mit der Gefahr dort betrogen zu werden. Bevor wir ankommen bat der junge Mann um ein Telefon, wofür er 1000Naira – ein drittel Tageslohn – abgenommen bekommt. Der Mann aus Gelsenkirchen kann von einem Bruder abgeholt werden. Wir sind mit ihm zum telefonieren verabredet, damit er seine Geschichte erzählen kann.

Schließlich nehmen wir die zwei aus Ingoldstadt und Schwandorf mit im Taxi zur Schutzwohnung. „Der deutsche Polizist sagte zu mir, die Deutschen sind sauer, weil sie diese Bronze-Masken zurück geben müssen, deswegen werden „Black People“ abgeschoben.“, erzählt uns der junge Mann. Er habe ihm geantwortet, er kenne diese Masken nicht und habe nichts damit zu tun. Die Straßen wirken auf ihn wie eine kalte Dusche, er kann nicht glauben wo er ist, hier wollte er doch weg. Noch Stunden später in der Schutzwohnung schüttelt er den Kopf, läuft von einer Wand zur anderen. Auf seiner Flucht in Libyen ist er in den Rücken geschossen worden, als man ihm seinen Lohn als LKW-Fahrer geklaut hatte. Er zeigt uns die Wunde neben den Lendenwirbeln. Wegen der Schussverletzung ist er nach Italien geflogen und dort behandelt worden. In der Schutzwohnung treffen wir auf einen Rückkehrer der vor einigen Monaten abgeschoben wurde. Wir hatten ihn letzte Woche dort interviewt und er ist noch einige Tage geblieben. Er kennt die Gefühlslage der Neuen und kümmert sich um sie.

Wir lesen von Annalena Baerbocks Rede bei der Übergabe der Bronze-Figuren in Abuja (Nigeria): „We are here to right a wrong“, „Wir sind hier um einen Fehler zu berichtigen“. Frau Baerbock stellt sich vor, dass die Bronze-Figuren lediglich von Deutschland gekauft, aber von den Britten gestohlen wurden. In Nigeria gilt derjenige, der etwas Gestohlenes kauft als der größere Täter, als der Räuber, weil erst der Käufer das Geschäft rentabel macht. Wir denken an den Mann unter dem Mangobaum, an die Gestrandeten am Straßenrand vor dem Flughafen und können nichts Richtiges daran erkennen. Kürzlich wurde das neue Chancenaufenthaltsrecht in Deutschland verabschiedet. Seitdem haben manche Bundesländer Abschiebungen, die unter das Chancenaufenthaltsrecht fallen, ausgesetzt. Bayern schiebt stattdessen weiter ab, wie auch der bayrische Flüchtlingsrat berichtet.

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