Corona-Chaos jetzt in Backnang, 17.9.2020
Stellen Sie sich vor, Sie müssen mit einem fremden Menschen in einem Zimmer zusammenleben.Das Zimmer ist so klein, dass zwischen den Betten nur ein Durchgang von 50 Zentimetern bleibt. Sie haben keine Privatsphäre, sind nie alleine, haben sich aber im Laufe der Monate an ihren Zimmernachbarn gewöhnt. Toilette und Dusche auf dem Flur benutzen auch die Menschen aus den anderen Zimmern. Kochen können Sie in einer Gemeinschaftsküche. (https://youtu.be/1YQjWhtBecA).
Seit Ausbruch der Corona-Krise waschen Sie sich regelmäßig die Hände, halten Abstand, wo dies möglich ist, und tragen eine Maske, wo dies gefordert wird. Trotzdem passiert es: Ihr Zimmernachbar wird positiv getestet. Sie haben sich auch gleich testen lassen. Sie sind sehr froh, dass ihr Test negativ ausfiel. Was würden Sie jetzt tun? Würden Sie nicht in ein anderes Zimmer wechseln wollen? Aber genau das wird Ihnen nicht erlaubt. Sie müssen bleiben wo Sie sind, ihr Zimmernachbar auch. Wie würden Sie sich nachts fühlen, wenn nur einen halben Meter von Ihnen entfernt ein Corona-Kranker schläft? Weil er friert möchte er auch noch das Fenster geschlossen halten. Und das ist schon seit Tagen so. Was würden Sie von den Menschen denken, die Sie in eine solche Situation zwingen?
Und dann lesen Sie auch noch in der Zeitung: „Natürlich geht es in einer solchen Unterkunft vergleichsweise eng zu, aber 1,50 Meter Abstand kann man auch dort halten“. Dieser Satz geht Ihnen nachts immer wieder durch den Kopf, wenn ihren Zimmernachbar schwer atmen hören, nur einen halben Meter von Ihrem Bett entfernt.
Das ist kein schlechter Roman. Das ist bittere Wirklichkeit im Lager in der Hohenheimer Straße in Backnang. Das Zitat stammt von Stefan Setzer, Baudezernent der Stadt Backnang. Seit 15. September 2020 steht ein Teil des Lagers unter Quarantäne, durch einen Bauzaun abgetrennt. Infizierte Personen müssen dort mit negativ getesteten oder Personen mit noch nicht bekanntem Testergebnis im gleichen Zimmer zusammenleben.
Testergebnisse wurden bislang nur mündlich mitgeteilt. Und da gab es Fälle, wo es zuerst hieß, „Ihr Test war negativ“ und einen Tag später plötzlich „Ihr Test war positiv“. Niemand erhielt bis heute sein Testergebnis schriftlich, obwohl das erste Ergebnis den Behörden seit mindestens fünf Tagen vorliegt.
Es ist zu befürchten, dass sich in Backnang die Ellwangener Corona-Katastrophe wiederholt. Im LEA-Lager Ellwangen wurden neunzig Prozent der Bewohner*innen mit dem Corona-Virus infiziert. In Ellwangen wurden stets negativ getestete Bewohner*innen über zwei Monate in Quarantäne gehalten. Wieder werden Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes ignoriert. Das RKI fordert zum Beispiel, dass nach Auftreten eines Corona-Falls in einer Unterkunft „umgehend eine räumliche Trennung in drei Bereiche„ durchgeführt wird. Wieder gibt man sich völlig überrascht. Wieder ist man nicht vorbereitet. Wieder werden Menschenrechte der Geflüchteten mit Füßen getreten. Wieder werden Beschäftigte mit FFP3-Masken besser geschützt als Bewohner*innen mit einfachem Mund-Nase-Schutz. Wieder wird die Öffentlichkeit über die Zustände im Lager getäuscht.
Auch Geflüchtete haben Rechte. Alle Betroffenen müssen ihre Testergebnisse schriftlich erhalten. Gerade die Menschen in Quarantäne und Isolation brauchen Zugang zu medizinischer Versorgung. Sie müssen auf Wunsch mindestens einmal am Tag persönlich einen Arzt oder eine Ärztin sprechen können.
Wir fordern gleichen Schutz für Alle! Wir fordern die sofortige Trennung der positiv und negativ Getesteten. Wir fordern die umgehende Auflösung des Lagers und die dezentrale Unterbringung in Einzel- und Familienzimmern. Wohnungen statt Corona!
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