Lager Wiesenstraße ohne Schutz vor der Pandemie
Anfang Februar wurden die meisten Bewohner:innen des Lagers Wiesenstraße unter Quarantäne gestellt. Covid-19 Infektionen traten damit in diesem Lager mindestens zum dritten Mal auf. Die Bewohner:innen sind weiterhin gefährdet. Ihre medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet. Risikopersonen müssen sofort aus dem Lager geholt werden. Das Lager muss vor Eintreffen einer erneuten „Corona-Welle“ aufgelöst werden.
Zum dritten Mal Covid-Infektionen
Mitte Oktober 2020 meldete die Stadt Schorndorf den ersten Covid19-Fall in der Wiesenstraße. Die betroffene Person wurde daraufhin sofort in eine leerstehende Wohnung gebracht. 32 der etwa 100 Mitbewohner:innen wurden getestet, Ergebnis negativ. Von Änderungen im Lager selbst ist nichts bekannt.
Mitte Januar 2021 trat wieder eine Covid19-Erkrankung auf. Wieder wurde die betroffene Person aus dem Lager in ein Einzelzimmer verlegt. Von umfassenden Tests wird diesmal nicht berichtet.
Ende Januar wurden 6 Personen positiv getestet. Nun wurde eine Massenquarantäne angeordnet. Zunächst wurden 70 Personen in den beiden oberen Stockwerken des Lagergebäudes vom 1. bis 10. Februar unter Quarantäne gestellt. Soweit berichtet die Presse. Ein Zusammenhang zwischen dem Fall Mitte Januar und den Fällen Ende Januar wird öffentlich nicht hergestellt.
Hohe Infektionsgefahr im Lager
In den Zimmern leben bis zu 5 Personen einer Familie oder 1-2 Einzelpersonen. Die Toiletten im Haus werden gemeinsam benutzt. Zu den Küchen und Duschen muss mensch durch die Kälte gehen, sie befinden sich in Containern vor und hinter dem Gebäude. Begegnungen auf den Fluren lassen sich nicht vermeiden. Eine Trennung zwischen Positiven, deren Kontaktpersonen und nicht betroffenen Menschen – wie sie vom Robert-Koch-Institut gefordert wird – gibt es nicht wirklich.
Im obersten Stock wurde ein Sanitärraum mit einer Toilette und einer Dusche mehreren Familien mit positiven Fällen zugeordnet. 15-20 Personen teilen sich also diesen einen Raum. Weil dieser entsprechend oft belegt ist, muss oft eine andere Toilette benutzt werden. Einigen Zimmern ist eine „Quarantäne-Küche“ zugeteilt. Die übrigen Küchen teilen sich alle anderen Bewohner:innen weiterhin.
Gesundheitsversorgung am Boden
Bewohner:innen fühlen sich im Lager nicht sicher. Nach der Verhängung der Ausgangssperre gab es keine medizinische Versorgung. Selbst mit positiv getesteten Personen hat kein:e Ärzt:in gesprochen. So konnten mögliche Risikopersonen nicht identifiziert werden.
Von einer Überwachung des Gesundheitszustandes kann keine Rede sein, das Gesundheitsamt erkundigte sich nicht bei den Infizierten. Die meisten Bewohner:innen können nicht einmal ihre Temperatur kontrollieren, sie haben kein Fieberthermometer. Auch zum Ende der Quarantäne hin erfolgte kein systematisches Monitoring der Erkranken und ihrer Kontaktpersonen.
Einige Bewohner:innen berichten, dass sie ihr Testergebnis online abrufen sollten. Dazu muss ergänzt werden, dass es dort keinen brauchbaren Internetzugang gibt. Die Teststelle telefonisch zu befragen solle laut ihrem Informationsblatt möglichst unterlassen werden.
Quarantäne voller Unklarheiten
Beim aktuellen Ausbruch Anfang Februar wurden keine Erkrankten oder Kontaktpersonen in externe Unterbringungen gebracht. Bei vergangen Fällen war dies bereits geschehen. Es ist also unklar, aus welchen Gründen manchen eine Wohnung für die Zeit der Absonderung zugeteilt wird und warum andere trotz Infektion im Lager bleiben müssen.
Zusätzlich herrscht Unsicherheit über die Dauer der Quarantäne. Die Stadt Schorndorf stellte Quarantäneanordnungen zu, diese erstrecken sich wie von der Presse berichtet vom 01. – 10. Februar, jedoch zum Teil auch darüber hinaus bis zum 11. Februar.
Hier ist erneut anzumerken, dass der Internetzugang nicht ausreichend ist und somit Information und Kommunikation nach außen während der Quarantäne eingeschränkt waren.
Einige FFP2-Masken wurden ausgeteilt. Eine Maske soll anscheinend für die ganze Quarantänezeit, also für mindestens zehn Tage, ausreichen. Desinfektionsmittel wurden nicht zur Verfügung gestellt.
Wohnungen statt Corona
Die Covid19-Fälle in der Wiesenstraße Schorndorf, in Ellwangen und anderen Lagern belegen genauso wie Zahlen des Robert-Koch-Institutes: Lager sind Corona-Hotspots.
„Man sollte endlich die Sammelunterkünfte für Flüchtlinge auflösen und die Leute in einzelnen Wohnungen unterbringen. Das wäre zweifellos eine wirksame Maßnahme [gegen Covid19-Infektionen].“ So Sigrid Graumann, Mitglied des Ethikrates, im einem TAZ-Interview.
Ein wirksamer Infektionsschutz in Lagern ist auch bei bestem Willen nicht möglich. Lager machen krank, immer, auch psychisch. Wir fordern daher Wohnungen statt Corona! Auflösung des Lagers Wiesenstraße vor der nächsten Infektions-Welle!
Sofortmaßnahmen
Mit etwas gutem Willen sind einige Maßnahmen ohne Verzug umzusetzen:
- Die Testergebnisse müssen zeitnah kommuniziert werden und auch für alle ohne Internetzugang schriftlich zugestellt werden.
- Konsequente Verlegung aller positiv Getesteten und Risikopersonen aus dem Lager in leerstehende Wohnungen oder Hotelzimmer.
- Verteilung von Desinfektionsmittel.
- Medizinische Versorgung, ausreichende Tests und Gesundheitsmonitoring für alle Bewohner:innen.
- Brauchbares WLAN in allen Zimmern des Lagers.
Nachtrag
Aus dem Lager Wiesenstraße erreicht uns soeben die Nachricht, dass es in den Küchen-Containern kein Wasser mehr gibt. Die Zuleitungen scheinen eingefroren zu sein. Bewohner:innen müssen jetzt ihr Geschirr in den Dusch-Containern spülen. Auch die Waschmaschinen in den Containern funktionieren nicht mehr. Das Lager ist nicht winterfest. Die Infektionsgefahr steigt. Dieses Lager mit seiner provisorischen Container-Infrastruktur muss sofort evakuiert werden.
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