Ausgangssperre statt Schutz
In der LEA Ellwangen sind mindestens 313 von 587 Geflüchteten mit Corona infiziert. Die Stadt Ellwangen reagierte mit einer Verlängerung der Ausgangssperre um zwei Wochen. Die Leitung der LEA löste den Quarantänebereich innerhalb des Lagers auf. Für die noch nicht infizierten Geflüchteten gibt es keinen Schutz mehr.
Der Lagerleiter Berthold Weiß versuchte die Menschen im Lager mit dem Hinweis zu beruhigen, die Todesrate sei bei Menschen ihres Alters unter ein Prozent. Mit anderen Worten, in der LEA sei höchstens mit 5 bis 6 Todesopfern zu rechnen.
Quarantänebereich aufgehoben
Nach Bekanntwerden der ersten Infektionen war am 6. April innerhalb der LEA ein Quarantänebereich eingerichtet worden. Dieser erwies sich schnell als zu klein. Positiv und negativ getestete Bewohner*innen wurden in getrennten Gebäuden untergebracht, eine zusätzliche Kantine wurde eingerichtet.
Wie Geflüchtete aus der LEA berichten wurden nun endlich beide Kantinen geschlossen. Das Essen wird aber weiterhin in der alten Kantine ausgegeben. Alle Bewohner*innen müssen in einen gemeinsamen Raum, um sich ihr Essen abzuholen. Die Kantine wurde lediglich durch einen Bauzaun aus Draht in zwei Bereiche aufgeteilt. Die Bewohner*innen essen einzeln oder in Gruppen im Freien oder auf ihren Zimmern.
Im ganzen Lager existiert keine Trennung von positiv und negativ Getesteten. Sie begegnen sich im Freien, bei der Arbeit (zum Beispiel in der Küche), in den Gebäuden und in den Zimmern. Toiletten und Waschräume müssen sie gemeinsam benutzen. Die Geflüchteten, mit denen wir gesprochen haben, können die Behauptung des Regierungspräsidiums Stuttgart, Infizierte seien in eigenen Gebäuden untergebracht, nicht bestätigen.
Kein Schutz
Geflüchtete im Lager beklagen auch, dass immer noch keine Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen. Sie baten den Lagerleiter Weiß, die Dispenser in den Sanitätsräumen, die seit Tagen leer seien, wieder auffüllen zu lassen. Dieser reagierte mit Ausflüchten.
Internet gibt es nach wie vor nur an zwei Stellen im Lager, nicht in den Gebäuden. Manche Bewohner trauen sich nicht mehr aus ihren Zimmern. Andere glauben nicht mehr, dass es überhaupt eine Epidemie gibt. Sie sehen keine Kranken. Niemand sei bewusstlos geworden. Wer krank sei, sei schon vor Corona krank gewesen. Es gebe keinerlei Schutzmaßnahmen, überall seien positiv und negativ Getestete zusammen, manche mit, manche ohne Schutzmaske. Auch Arbeiter, die von draußen in die LEA kommen, trügen keine Schutzmaske. Viele Afrikaner*innen verbinden mit „dem Virus“ Bilder und Erfahrungen von Ebola.
Sie können nicht verstehen, warum sie nicht geschützt werden, aber gleichzeitig das Lager nicht mehr verlassen dürfen. Die miserable Information durch die Lagerleitung trägt dazu bei, dass Verunsicherung und Anspannung im Lager wachsen.
Wir befürchten, dass die Verantwortlichen die Menschen im Lager Ellwangen zu einem Durchseuchungsexperiment missbrauchen und eine monatelange Schließung des Lagers durch die Bundeswehr absichern wollen.
Unsere Forderungen:
Wir fordern aktive Information durch die Lagerleitung. Geeignet sind dazu mehrsprachige Videos und schriftliche Erklärungen, die die Bewohner*innen mit ihren Handys abrufen können. Die Lagerleitung und das Regierungspräsidium Stuttgart, müssen erklären, warum sie welche Maßnahme einleiten. Sie müssen offenlegen, welche Ziele sie verfolgen und wann sie die Ausgangssperre aufheben wollen.
Wir fordern die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln und ausreichend Seife, die Dispenser in den Sanitärräumen müssen sofort wieder aufgefüllt werden.
Wir fordern den lagerweiten Zugang zum Internet, auch in den Gebäuden.
Wir fordern einen Aufnahmestopp für das Lager Ellwangen. Geflüchtete wurden noch aus Heidelberg nach Ellwangen verbracht, als die Ausgangssperre schon in Kraft war.
Wieder gesunde und nicht mehr positiv getestete Menschen müssen sofort das Lager verlassen dürfen. Aus der Isolierunterkunft Sechselberg-Althütte darf niemand nach Ellwangen zurückgebracht werden.
Wir fordern die Evakuierung des Lagers. Als erstes müssen die Risikogruppen (Menschen mit Vorerkrankungen und Ältere) und die besonders Schutzbedürftige aus dem Lager geholt werden.
Angesichts der Corona-Pandemie fordern wir dringender denn je die Auflösung aller Lager. Die Fortsetzung des Lagerregimes kostet Menschenleben.
Wir fordern den gleichen Schutz für alle Menschen. Leider müssen wir es immer wieder sagen: Auch wir Geflüchteten sind Menschen. Menschenrechte gelten auch für uns.
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