Negativ getestet und trotzdem eingesperrt?   englisch

Von den rund 600 Geflüchteten in der LEA Ellwangen wurden seit Verhängung der Ausgangssperre Anfang April über 400 Bewohner*innen mindestens einmal positiv getestet. Ende April / Anfang Mai wurden etwa 200 einst positiv Getestete aus der LEA entlassen. Von den knapp 200 negativ Getesteten wurde niemand entlassen. Warum? Wird sich nach den neuen Tests in den nächsten Tagen etwas ändern?

Das Regierungspräsidium Stuttgart will nach diesen Tests angeblich prüfen, ob die B2-3Ausgangssperre für die LEA Ellwangen aufgehoben werden kann. Damit erzeugt das Regierungspräsidium falsche Hoffnungen. Viel werden hoffen, nach einem negativen Test wieder in die Stadt gehen zu können. Doch gerade diejenigen, die nie positiv getestet wurden, werden nicht raus dürfen. Klingt verrückt. Manche wurden zwei, drei oder bald vier Mal negativ getestet und fühlen sich auch super gesund. Trotzdem müssen sie weiter in Quarantäne bleiben. Das versteht doch kein Mensch! Ist das wieder einmal pure, rassistische Schikane gegen Geflüchtete?

Wie geht Quarantäne außerhalb des Lagers?

Nehmen wir einmal an, ich sein ein Mensch, der nicht im Lager lebt, sondern ganz normal in einer Wohnung. Dann ordnet das Gesundheitsamt für mich eine Quarantäne an, wenn ich mit einer infizierten Person in engerem Kontakt war, bei der Arbeit, in der Familie oder wo auch immer. Dann gelte ich als Kontaktperson oder Verdachtsfall. In Quarantäne darf ich meine Wohnung nicht verlassen, ich darf auch nicht mehr einkaufen. Freund*innen müssen mir etwas zu essen vor die Tür stellen. Wenn irgendwie möglich, sollte ich in einem getrennten Zimmer bleiben und auch niemandem in der Wohnung begegnen. Wenn ich keine Symptome wie Husten oder Fieber entwickle, bin ich nach zwei Wochen frei. Einen Test muss ich nur machen, wenn ich Symptome habe. Das war alles. Es ist vorbei. Ich musste in Quarantäne, damit ich niemanden anstecke. Wegen des Kontakts mit einer infizierten Person, hätte auch ich infiziert sein können.

Jetzt nehmen wir mal an, ich lebe mit einer anderen Person, zum Beispiel meiner Frau, zusammen. Wir mussten beide in Quarantäne, weil wir beide mit X Kontakt hatten, also Kontakpersonen von X sind. Wir haben als Frau und Mann untereinander keinen Abstand gehalten. Nach 10 Tagen bekommt meine Frau Fieber und wird positiv getestet. Dann beginnt für mich als Kontaktperson meiner Frau die Quarantäne neu. Jetzt könnte ich von meiner Frau angesteckt worden sein, auch wenn ich mich nicht bei X angesteckt habe. Wären meine Frau und ich getrennt in Quarantäne gewesen, wäre ich nach zwei Wochen frei gewesen. So wurden es fast vier Wochen.

Wenn mehrere Leute als Gruppe in Quarantäne zusammen leben, beginnt die Quarantänezeit immer wieder neu, sobald jemand positiv getestet wurde oder auch nur eine Person Kontakt mit einer infizierten Person hatte. Je größer die Gruppe, desto länger die mögliche Quarantäne. Sie ahnen das Problem im Lager?

Beendet ein negativer Test die Quarantäne?

Meistens werden Menschen, die in Quarantäne geschickt werden, nicht getestet. Ein Test wird erst durchgeführt, wenn Symptome auftreten. In der LEA wurden aber alle getestet. Alle negativ Getesteten sind dennoch seit einem Monat in Quarantäne.

Ein negativer Test ändert nichts an der Quarantäne. Die Quarantäne muss trotzdem 14 Tage lang eingehalten werden. Der Grund ist, dass auch ein negativer Test nicht immer eine Infektion ausschließt. Wenn in einem frühen Stadium der Infektion im Körper noch sehr wenige Viren sind, kann ein Test diese nicht nachweisen. Ein prominentes Beispiel ist Frau Merkel. Sie hatte mit einem infizierten Arzt Kontakt und musste deshalb in Quarantäne. Während der Quarantänezeit wurde sie drei Mal negativ getestet. Trotzdem blieb sie 14 Tage in Quarantäne. Nach 14 Tagen war aber auch Schluss, weil sie keinen neuen Kontakt mit Infizierten hatte. In der LEA ist das ganz anders.

Kontakt und Quarantäne im Lager

Im Lager gelte ich als Kontaktperson von allen, die im gleichen Zimmer wohnen. Aber auch von allen, mit denen ich Bad oder Toilette teile. Ist also nur eine Person auf dem Stockwerk infiziert, werde ich zum Verdachtsfall und muss in Quarantäne. Eine gute Gelegenheit, sich zu infizieren, war auch das gemeinsame Essen in der Kantine. Durch das enge Zusammenleben im Lager kann sich die Infektion schnell ausbreiten.

Alle Bewohner der LEA Ellwangen wurde am 5. April unter Quarantäne gestellt. Damit wurden die Menschen außerhalb des Lagers geschützt, aber nicht die Menschen im Lager. Im Lager wurde eine riesige Gruppe von einigen Hundert Menschen gemeinsam unter Quarantäne gestellt. In dieser Großgruppe hat sich, wie nicht anders zu erwarten war der Virus rasend schnell verbreitet. Nach dem ersten Massentest Anfang April waren 250 infiziert, beim nächsten Test waren es 313 und zuletzt wurden 406 Menschen im Lager positiv getestet. Damit sind noch knapp 200 Menschen in der Quarantänegruppe. Wird auch nur einer von ihnen neu positiv getestet, muss nach den Regeln der deutschen Regierung die Quarantäne für alle 200 wieder um zwei Wochen verlängert werden. Und so kann das lange weiter gehen.

Im Gegensatz dazu empfiehlt das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg, keine Quarantäne für alle Bewohner einer LEA anzuordnen und begründet das so:

Werden alle Bewohner der LEA für zwei Wochen in Quarantäne verbracht und wird in diesem Zeitraum eine weitere Person positiv getestet, so verlängert sich die Quarantäne ALLER Bewohner erneut um zwei Wochen ab Zeitpunkt des Symptombeginns / Datum des positiven Tests. In diesem Fall muss theoretisch eine Einrichtung für mehrere Monate geschlossen bleiben.

Chaos in der LEA macht alles noch schlimmer

Im Ellwangener Lager wurde die Quarantänegruppe, also die negativ Getesteten, nicht von den Infizierten getrennt, auch wenn der Lagerleiter Berthold Weiß anderes behauptet. So kann jeden Tag irgendein Infizierter irgendeinen aus der Quarantänegruppe anstecken. Dieses Risiko besteht, solange die Quarantänegruppe der negativ Getesteten nicht vollständig von den Infizierten getrennt wird.

Das gegenwärtige Chaos in der LEA führt zu einer fast endlosen Quarantäne der negativ Getesteten. Wer einmal positiv getestet wurde, kann entlassen werden, wenn er nach einiger Zeit keine Symptome mehr zeigt oder nie Symptome hatte. Das prüft ein Arzt. Deshalb konnten vor kurzem 200 Leute das Lager verlassen. Sollte das gegenwärtige Chaos fortgesetzt werden, müssten die negativ Getesteten zunächst in Quarantäne bleiben, bis alle Positiven das Lager verlassen konnten. Wenige Tage vor dem Verlassen des Lagers könnte ein Infizierter ja noch einen bislang negative Getesteten anstecken. Danach müsste die Quarantäne noch mindestens zwei Wochen dauern. Wegen der Größe der Quarantänegruppe wären weitere Verlängerungen wahrscheinlich.

Gibt es einen Ausweg?

Ja, den gibt es, wenn man will. Menschen im Lager haben die gleiche Chancen wie Menschen außerhalb, wenn die riesige Quarantänegruppe von momentan 200 Leuten in viele sehr kleine Quarantänegruppen zerlegt wird. Das oben erwähnte Ministerium fordert, dass nur Familien oder maximal drei Personen in einer Gruppe untergebracht werden. Das ist der Weg. Damit wäre die Quarantäne für die meisten nach zwei Wochen beendet.

Kleinstgruppen statt Lager

Innerhalb des Lagers lassen sich diese kleinen Gruppen nicht getrennt unterbringen. Solange die Aufrechterhaltung des Lagerregimes wichtiger ist als es Freiheit, Leben und Gesundheit der Geflüchteten sind, gibt es keine Lösung.

Wegen der Corona-Krise stehen viele Hotels und andere Wohnmöglichkeiten leer. Dort könnten die Kleinstgruppen getrennt voneinander untergebracht werden. Die Möglichkeiten sind da. Ohne Druck durch die Geflüchteten selbst und Unterstützung von solidarischen Menschen außerhalb werden sie nicht genutzt werden.

Risikogruppen retten!

Die meisten Corona-Infizierten überstehen die Infektion ohne große Probleme. Schwere, lebensgefährliche Erkrankung droht aber den sogenannten Risikogruppen. Das sind ältere Menschen (über 60 Jahre) und Menschen mit Vorerkrankungen. Wer positiv getestet wurde und zu einer der Risikogruppen gehört, wird nach den Plänen des Regierungspräsidiums in die Isolierunterkunft in Althütte-Sechselberg gebracht. Wer nie positiv getestet wurde, wird nicht geschützt. Das oben erwähnte Ministerium fordert die getrennte Unterbringung der Risikogruppen, gegebenenfalls mit der ganzen Familie. Sie sollen landesweit in separaten Einrichtungen untergebracht werden. Sollen das spezielle Lager sein? Warum kann hier nicht sofort und unbürokratisch leer stehender Wohnraum, z.B. Ferienwohnungen, bereit gestellt werden?

Fazit

Die Verantwortlichen des Regierungspräsidiums Stuttgart, des Landkreises und der Stadt Ellwangen missachten weiterhin die Menschenrechte der Geflüchteten in der LEA Ellwangen. Sie informieren die Menschen im Lager nicht ehrlich. Im Lager erzeugen sie Chaos. Sie verlängern die Quarantäne ohne Not. Sie tragen aktiv zur Ausbreitung des Virus bei. Sie ignorieren die Empfehlungen des Ministeriums für Soziales und Integration.

Wir sagen dagegen: Auch Geflüchtete haben das Recht, sich und andere zu schützen.

Wir fordern als Sofortmaßnahmen:

  • Die dezentrale Unterbringung der Risikogruppen, z.B. in Ferienwohnungen.

  • Die Bildung von kleinen Quarantänegruppen (Familien oder maximal drei Personen) außerhalb der LEA und deren Unterbringung z.B. in leerstehenden Hotels.

Ein Gedanke zu “Corona chaos in Ellwangen 04.05.2020”

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